Es gibt kein Vergessen und kein Vergeben

- so ab Mitte 1975 kam ich dauerhaft zu --MASS--, war quasi Familienmitglied und hatte meinen Aufgabenbereich. Wir wohnten damals etwa 25km ausserhalb Regensburgs in Pfakofen im alten Schulhaus. Für uns das optimale, da Platz, für die Bauern und sonstigen Dorfbewohnern eine völlig neue Erfahrung. Anfangs waren wir natürlich die Attraktion, was sich im Laufe der Zeit dann aber änderte - positiv. Ende der 70er war es überwiegend gangige Praxis, dass Bands zusammen in einem Haus lebten, ihren herkömmlichen Alltag gemeinsam bewältigten  mit all seinen Höhen und Tiefen und ihre musikalischen Ziele gemeinsam verfolgten. Meist ging keiner einer geregelten Arbeit nach und oft genug musste man allmonatliche Fixkosten durch Nebentätigkeiten abdecken.Wir verdienten damals einiges auf Antikmärkten und auch sonst konnte man immer ne Mark nebenbei machen. Man macht sich keine Vorstellung davon, welche Werte damals aus den Dachböden und Scheunen verschleudert wurden. Günter, der Bassist der Band, wird Jahre später mit einem Antikladen seine Brötchen verdienen.


Unsere Ausrüstung war seinerzeit schon anspruchsvoll;  - Marshall-Turm für Gitarrist Mick, wie auch Bassist Günter und für Beppo, den Sänger, stand eine 400Watt Marshall Gesangsanlage zur Verfügung.  Hannes, der Drummer, hatte sein Ludwig-Kit mit grosser Bassdrum, Snare, ein Hänge- und Standtom und einen guten Beckensatz.  4 Slaves und ein 8-Kanal Mixer, dazu 8 grosse Marshall Turmboxen, alles im typischen rot. Auch besitzten wir ausreichend Mikrofone. Aber das Teil live auszusteuern war schwieriger als einen Bullen zu reiten.  Transportiert haben wir das alles in einem langen Opel Blitz Doppelkabiner. Wichtig war uns vor allem, dass wir erstmal die nötige Ausrüstung hatten, um Gigs zu spielen, was wir auch reichlich taten. Und für mich war ein wunderbarer Lebensabschnitt angebrochen, weil ich in dem Umfeld war, dass mich so anzieht. ---

Mick ist immer mehr und öfters betrunken und Beppo kann vom Herion einfach nicht genug kriegen - beide müssen 1976 aus der Band.


Im Fachblatt fanden wir unseren neuen Gitarristen Detlev Schreiber. Detlev kam völlig plete aus Berlin, nachdem wir ihm vorher Geld schickten, damit er seine Gitarre auslösen und ein Zugticket kaufen konnte. Zu der Zeit musste man sich auf die Aussagen eines Musikers verlassen was sein Spielvermögen angeht. Wenn das alles so stimmte wie er uns schrieb, hatten wir gutes zu erwarten.
Und es war tatsächlich so. Sein erstes Vorspiel bei uns war beeindruckend. Detlev spielte unser Set binnen einer Woche ein und übernahm vorerst auch den Gesang. Seine Schnelligkeit und  Virtuosität hatte sich Detlev über Jahre vorm Plattenspieler erarbeitet, stellte sich später heraus. Er war zuvor in keiner Band - nun war er`s.
Er stand mir sehr nahe und wir haben sehr viele gemeinsame Nächte mit üben und jammen verbracht oder Stücke zu schreiben, welche er gerne spielen würde, aber mit mir als Bassisten. Ich lernte sehr viel von ihm.
Detlevs einziges Manko, - er war völlig weltfremd und in sich gekehrt. In den kommenden 5 Jahren wird er nur sehr selten das Haus verlassen und wenn du ihn brauchst, triffst du ihn beim üben. Ich kannte keinen anderen, der jeden Tag ab Mittag bis weit in die Nacht hinein nichts anderes tat als Gitarre zu spielen.

Wie bei vielen anderen Band die wir in den Jahren getroffen und kennengelernt haben, so auch bei uns, - die Ansprüche und Anforderungen wachsen und es wurde step by step richtig geschäftlich und professionell.

Unser neues Zuhause wurde das alte "Prater-Hotel" unweit von Regensburg, wie der Name schon sagt, einst Hotel, - dann kurze Zeit Bordell und dann kamen zuletzt wir. Für uns als Band hervorragend geeignet und das zu einem akzeptablen Preis, - wenn auch das Heizöl manchmal fehlte. Im 2. Stock eine grössere Wohnung, im 1. Stock 7 Zimmer und die Gemeinschaftsdusche, im EG 2 Frühstückssäle und kleiner Wintergarten, der Keller wird später dann umgebaut zum Homestudio. Neben und hinter dem Haus reichlich Platz für die Autos und den Truck und einen Garten gabs auch noch. Eine herrliche Zeit sollte anbrechen.

In den Jahren 1977-1982 haben wir sicherlich in den wichtigsten Clubs in Deutschland bespielt wie das Quartier Latin in Berlin, PN in München, Kaisersaal in Lübeck, in Hamburgs Onkel Pö und Grünspan und weis der Teufel, wo sonst noch überall. Rheinland und speziell der Ruhrpott wurden systematisch nach Auftrittsmöglichkeiten abgegrast, nicht wenige mal direkt vor Ort noch schnell einen Gig für den folgenden Abend bekommen. Während dieser Jahre hatten wir auch reichlich Kontakt und gemeinsame Konzerte mit bekannten Bands wie Amon Düll II, Anyone's Daughter, Birt Ccontrol, Bullfrog (spätere Fargo), Can, Cry Freedom, Eloy, Embryo, Electric Sun (einst Ur-Scorpion, wir sollten in Weissenohe im To Act nochmals aufeinander treffen),  Epitaph, Franz K., Guru Guru, I. Rumpf(81/82,) Island(1978), Jane, Kraan, Lucifers Friends, Nektar, Octopus (wenn wir im Frankfurter Raum spielten, konnten wir stets bei Ihnen übernachten), Omega(1979), Popol Vuh, Ramses, Scorpions, Snowball, Straight Shooter, Spider Murphy Gang, Triumvirat und, und, und...............


1977 kam unsere erste LP raus (Dierks/Porst Produktion wenn ich nicht irre), eingespielt und gemischt in Hiltpoltstein b. Nürnberg und zeitgleich fingen wir auch damit an, selbst ein Open-Air mit deutschen Bands auf die Beine zu stellen. Eine abgelegene Wochenend-Disco  im Bayrischen Wald, frequentiert vom Amis, war genau das richtige Objekt dafür. Kneipe mit Saal, grosses Aussengelände, Parkplätze, abgelegen. Das Pfingstrock-Festival in Rötz war geboren und sollte sich die kommenden 4 Jahre wiederholen. Mit den Bands funktionierte das den Umständen entsprechend gut auch wenn einige ziemliche Starallüren an den Tag legten. Späterer Gigaustausch war Usus.

Die Auftritte mehrten sich, die Tourneen wurden zusehends länger und aufwendiger. Wir hatten von Solton komplettes Equipment gestellt bekommen, was aber den jetzigen Anforderungen nicht mehr genügte.

Unser neuer Sänger wurde Bennie von der Schweizer Band Island, vormals Sänger bei Toad. Bennie war kein Rocker und überhaupt ein ziemlicher Fehlgriff, was unsere Richtung anging. Vorteilhaft waren seine Connections und Beziehungen innerhalb der Schweizer Szene. Über ihn kam auch der Kontakt zu Gügi, einem Schweizer PA-Verleiher (Soundpower) zustande, der uns die technische Ausrüstung bei unseren Auftritten in der Schweiz stellte. Bei Gügi gaben wir auch unsere komplette, neue elektrotechnische PA-Ausrüstung in Auftrag - Speaker, Weichen, Endstufen, Mischpulte und den ganzen Zubehörteilen.

Die Boxengehäuse wie auch Flightcases bauten wir selbst und zum Schluss bestand unser Equipment aus 8 Martin-Bins, 4 Mid-Ranges und 4 Tweeter, sowie 4 grossen Floor-Wedges, alles bestückt ausschliesslich mit Gauss und JBL-Speakern. Angetrieben von mehreren leistungsstarken Crown Endstufen und ausgesteuert mit einem 16/4/2 Soundcraft-Pult. Die Monitors wurden separat gemixt.

Ich erinnere mich noch sehr gut an diese wochenlangen Baumassnahmen, die täglich von früh bis spät in die Nacht anhielten bzw. mussten, da eine Tour durch Griechenland als Support für Thin Lizzy ausstand und die Anlage bis dahin fertig sein musste.

Auch beim Licht wurden Veränderungen vorgenommen. Neben 2 grossen Manfrotto-Masten nebst Traversen wurde auf 24kW aufgestockt. Transportiert wurde es alles mit einem alten Magirus Möbelwagen, der unsere zweite Heimat wurde.

Für Bennie kam 1978 Jackie als Sänger, ein dunkelhäutiges Unikum aus Regensburg, der seit Jahren passiv in der Musikerscene sein Unwesen trieb und eigentlich nichts anderes war als ein Poser, - und vielleicht auch heute noch ist. Jackie träumte vom Durchbruch in Amerika und hatte alle seine Weisheit und Erfahrung aus Zeitschriften. Mit ihm kam auch der Wandel zu Nieten und Leder - und zu guterletzt auch der Grössenwahn.

Eine weitere Band in Regensburg, deren Gitarrist bei unserem Unterricht nahm, suchte nach einem Nachfolger für ihren Bassisten und Detlev verwies ganz charmant auf mich, worauf auch ein Kontakt zustande kam. Wir machten einen Termin für einen Jam und es sollte vom ersten Augenblick an dieses gewisse Extra haben. Es war einfach fantastisch, eine Chemie, so, als ob wir schon lange zusammen spielen würden. Die Umbesetzung erfolgte und Window Pain war geboren und sollte die kommenden 5 Jahre Bestand haben.

Der weitere Verlauf mit Mass war eigentlich fast schon typisch, zumindest in der Region, in der wir lebten. Der ganze Süddeutsche Raum mischte zwar zunehmenst am nationalen Markt mit, aber das grosse Treiben war in West- und Norddeutschland.  Die Tourneen in diesen Raum zu organisieren und durchzuziehen gestalteten sich zusehends aufwendiger und kostspieliger. Letztendlich war man einfach zuweit vom Schuss. Von 1977 bis 1984 erschien jährlich ein Album, wobei ich das 84er Album nicht mehr mitbekam, da ich 1983 die Band verlies.

Teils um Window Pain energischer voranzutreiben, teils aber die allgemeine Situation und Tendenz  bei Mass, die immer mehr zum Metal tendierte, - nicht nur musikalisch. Auch innerhalb der Band herrschte mehr Gereiztheit und negative Anspannung. Günther widmete immer mehr Zeit in den Antiquitätenhandel, Hannes verbrachte die meiste Zeit damit, die alten Sachen aufzupolieren, Jackie war damit ausgelastet, seine Referate übers Business in seinen Stammkneipen zu führen und Detlev tat das, was er immer machte, er übte. 1986 erschien das letzte Album von Mass und 1987 verliessen der Gitarrist und der Sänger die Truppe - vermutlich aber wurden sie von Günther gefeuert.

Der holte sich zwar neue Musiker in die Band, welche dann Monsters heissen sollten und lieferten 1990 ein Album ab, aber das wars dann auch schon wieder gewesen. Der Rest ist Geschichte.


 

 

 

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